DIE PLASTISCHE ZEICHNUNG

von der Auflösung des Tafelbildes

Seit ca.  1988 hat sich Reni Scholz von dem herkömmlichen Leinwand-Begriff entfernt und diesen Prozess künstlerisch dargestellt. Es entstehen STANDBILDER und WENDEBILDER – Ölbilder auf Holztafeln, die sich klappen lassen, die UNBEQUEMEN BILDER, die von der Decke hängen. 

Über eine lange Periode experimentiert sie mit Möglichkeiten der Ausdehnung von Zeichnungen in den Raum hinein. Wand, Decke und Boden werden zum Bildträger. Es entstehen Tafelbilder, deren Linien sich über den eigentlichen Bildträger hinaus materialisieren, und auf einer gedachten Energielinie über die Wand laufen. Die Holzstückchen scheinen ein Eigenleben zu führen und die Grenzen des Raumes auszuloten.

Fundstücke, Materialien aus dem direkten Umfeld übernehmen die Rolle der Linien und Flächen – z.B.  Draht, Filz, Seile, Kleiderbügel, Würfelzucker, Graphitpulver oder Tape.

Mit der Serie AUS FREIEN STÜCKEN beziehen sich die Arbeiten nicht mehr auf voran gegangene Skizzen oder Zeichnungen, sondern werden spontan und spielerisch direkt auf der Wand entwickelt. Renate Puvogel bezeichnet diese materialisierten PLASTISCHEN ZEICHNUNGEN  als „geronnene Gesten“ skulpturaler Handlungen.

Eine weitere Ebene fließt mit den environmentartigen Handlungen der TEE- und TINTENSCHÜTTUNGEN ein. Tintenbefleckte Wände und die Transformation der entstandenen Form zu  einer weißen Stein-Skulptur, die mittig im Raum steht (Kunsthaus, Essen). Oder der Einschnitt einer durch Tee-Schüttung entstandenen Form in die Ausstellungswand (Kunsthalle Köln – Köln-Kunst)

DAS SKULPTURALE EREIGNIS

interaktiv mit Ortsbezug

Immer mehr bezieht Reni Scholz auch das Publikum mit ein. Unter dem Begriff DAS SKULPTURALE EREIGNIS entstehen vielschichtige, ortsspezifische Bildräume, die begehbar oder „benutzbar“ sind, und den Betrachter immer wieder mit unerwarteten Situationen konfrontieren, ihn fordern bzw. aktiv mit einbeziehen, wodurch er die Installation erst vervollständigt. Die Geschichte des Raumes bzw. des Ortes, wird zu ihrer Inspirationsquelle, die dann intuitiv weiter entwickelt wird.

In der Ausstellung zum Thema ROT in der Alten Synagoge in Essen, gibt es zwei schmale Verbindungsgänge zwischen den Ausstellungsräumen. Durch die Interventionen PASSAGE I. und II. erschwert sie den unbeschwerten Durchgang. Die Besucher müssen sich entscheiden, ob sie sich durch die rote Gummifaden-Installation zwängen, oder mit Gummistiefeln durch das „blutrote“ Wasser waten.

Im Kölner Kunstraum Artillerie SIEBEN mal SIEBEN, einer ehemaligen Bäckerei, in der Seyen- bzw. Zwirnergasse gelegen, installiert R.S. eine ihrer gefädelten Seihen-Plastiken, sowie einen begehbaren, doppelten Boden mit darunter liegender Mehllandschaft. Den Blick in diesen Untergrund gewähren die Löcher des vergrößerten Seihenmusters im Boden.

Im Hinterzimmer befindet sich eine Ausstellungsvitrine, in der lebendige Maden ihre Spuren in einer Mehllandschaft hinterlassen.  Der Besucher scheint sich in diesem Ladenlokal selbst in einem überdimensionalen Seiher zu befinden und kann darüber reflektieren, ob er/sie in diesem „XXL-Sieb“ aussortiert oder -erwählt ist. (Sieben mal Sieben  von doppelten Böden, dem Aussieben und dem Wurm im Hinterzimmer, Köln 1996)

Artefakte von morgen

über das Speichern von Zeit

TIME BANDITS

Dinge, die Reni Scholz für ihre ortsbezogene Ausstellung im Siegburger Stadtmuseum zuvor in Tonplatten gedrückt und gebrannt hatte. Auf einem Floss gelagert sind sie auf dem Weg in die Zukunft – ähnlich einer Archivierung von Bilddateien entsteht ein Zeitportrait  – analog und ursprünglich wie historische Tonplatten, oder Schriftrollen in Pergament.

PRÄGEDRUCKE

Hiermit schließt sich der Kreis wieder, denn nach den PLASTISCHEN ZEICHNUNGEN und interaktiven, ortsbezogenen Installationen und Interventionen, den SKULPTURALEN EREIGNISSEN, bewegt sie sich künstlerisch zwar weiterhin im mehrdimensionalen Bereich, ist damit aber wieder beim Papier angekommen.  

Das Relief ist vergleichbar mit einer mehrdimensionalen Malerei, die ausschließlich von Licht und Schatten lebt. Wie  eingefrorene Momentaufnahmen hält  es  die  Spuren  unserer Kultur  fest.